Nachdem Facebook langsam in die Entscheider-Etagen vordringen konnte, war eines der häufigsten “Argumente” gegen ein Engagement die geäußerte Angst vor dem Shitstorm. Auslöser für diese Angst waren publikumswirksame und in den Medien verbreitete Ereignisse, bei denen Unternehmen negative Schlagzeilen machten.
Was steckt hinter dem Begriff Shitstorm, der es 2010 zum Anglizismus des Jahres in Deutschland brachte? Bekannt wurde der Begriff durch Sascha Lobo, der sich in einem Beitrag auf Spiegel Online dafür entschuldigte, das Wort Shitstorm alltagstauglich gemacht zu haben: “Für meine Beteiligung an der Verbreitung des doofen Worts Shitstorm bitte ich um Verzeihung.”
Shitstorm Beispiel – Spülmittelflaschen Designwettbewerb von Henkel
Bei dem Spülmittelhersteller Pril wurde im Jahr 2011 ein Wettbewerb zu kreativen Designvorschlägen für das Etikett der Spülmittelflasche zum Debakel. Der kreative Hamburger Werbetexter und Twitterer, @peterbreuer , reichte einen Vorschlag ein, welcher der Jury nicht gefallen hatte. Über Twitter rief Breuer zudem zum Voting für seinen Entwurf auf und schaffte es, mit seinem absurden Entwurf Platz 1 bei der Abstimmung zu erreichen. Henkel wies bei Breuer und anderen unliebsamen Teilnehmern auf die Teilnahmebedingungen hin und daraufhin zog Breuer, den kommenden Shitstorm vorausahnend, seinen Beitrag zurück. Gleichzeitig erklärte Henkel, nur noch zuvor geprüfte Beiträge zum Wettbewerb zuzulassen. Mit beiden Verhaltensweisen zog sich Henkel den verbalen Zorn der Netzgemeinde zu – der Shitstorm war entfacht.
Woraus besteht bzw. entsteht ein Shitstorm?
Am Anfang steht ein einzelner Beitrag
Vereinfacht gesagt, handelt es sich bei einem Shitstorm um eine Empörungswelle in sozialen Netzwerken. Voraussetzungen für eine Empörung sind meistens Beiträge auf Social Media Präsenzen mit großer Reichweite. So haben beispielsweise die Unternehmen Henkel, Néstle mit KitKat, McDonalds, Vodafone, die Deutsche Bahn oder ING-DiBa bereits Erfahrungen mit Empörungswellen machen müssen. Aber auch Institutionen oder Behörden haben bereits Shitstorm-Erfahrung gemacht. So wurde beispielsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von einem Shitstorm heimgesucht, nachdem ein eigener Mitarbeiter einen rassistischen Kommentar auf einem Facebook-Posting des Bundesamtes hinterlassen hatte.
Viele negative Kommentare zum Beitrag
Aus einem einzigen Kommentar können in weiterer Folge viele weitere, oft emotionsgeladene, negative Kommentare werden. Gerade die sozialen Netzwerke bieten die Möglichkeit einer schnellen Verbreitung und so kommen schnell tausende Kommentare zusammen. Ist dieser Punkt erreicht, beginnen oftmals andere Medien darüber zu berichten und nähren so die weitere Verbreitung.
Oft werden die Kommentare nur abgegeben um das Unternehmen zu diskreditieren, zu beleidigen oder seiner eigenen Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Die Vielzahl dieser Kommentare und die Geschwindigkeit in der es geschieht, stellen die Verantwortlichen der Unternehmen vor große Herausforderungen.
Falsches Verhalten der Social Media Verantwortlichen fachen den Shitstorm an
In einigen Fällen wussten sich die Betreiber von Facebook-Seiten nicht anders zu helfen, als die unliebsamen Beiträge oder Kommentare einfach zu löschen. Dies hatte weitere Empörungswellen zur Folge. Viele Teilnehmer des Shitstormes dokumentieren diesen mit zahlreichen Screenshots. Einfach löschen ist ein Bumerang und wird gerne aufgegriffen und zu noch mehr negativen Kommentaren genutzt.
Angst essen Seele auf – das Geschäft mit dem Shitstorm
Größere Unternehmen brauchten plötzlich Profis, die sich mit dem Shitstorm auskannten und wussten, was zu tun ist. Dieser Bedarf führte beispielsweise zum absurden Berufsbild Shitstorm-Manager, über den Spiegel Online berichtete.
Profis bieten Unternehmen Hilfe an, wenn es zum Fall der Fälle kommt. Von der Hotline-Beratung bis zur strategischen Unterstützung und Umsetzung reicht beispielsweise das Angebot auf der Internetseite www.social-media-krise.de .
Kauf Dir einen Shitstorm
2013 berichtete das Magazin Telepolis, das Shitstorms ab 4.999 Euro käuflich zu erwerben wären. Das Ganze entpuppte sich laut Magazin später als Satire der anbietenden Agentur, um Aufmerksamkeit für Obdachlose zu erlangen. Das Schwimmen auf der Shitstorm-Panikwelle hat der Agentur Aufmerksamkeit und mediale Beachtung geschenkt, die sonst vermutlich nicht erreichbar gewesen wäre.
Professioneller Umgang mit negativen Beiträgen für größere Unternehmen
Ein Shitstorm ist nie vermeidbar, denn er kann aus unterschiedlichen, persönlichen Beweggründen eines einzelnen beginnen. Daher ist es sinnvoll, die richtigen Verhaltensregeln zu kennen, wenn negative Beiträge auf der Unternehmensseite erscheinen:
- Von Beginn der Präsenz auf sozialen Netzwerken ein Konzept haben, wie mit negativen Beiträgen umgegangen werden soll
- Klare Handlungsanweisungen für die Verantwortlichen festlegen
- Einen immer erreichbaren Ansprechpartner im Unternehmen für diesen Fall festlegen
- Echtzeitreaktionen müssen rund um die Uhr an allen Tagen möglich sein
- Nicht vorschnell Beiträge löschen – und wenn, dann begründet. Am Besten mit Hinweis auf Verstöße gegen geltendes Recht
- Keine Zensur vornehmen. Auch beleidigende Kritik am Unternehmen oder dem Produkt sollte stehen bleiben
- Eine glaubhafte Entschuldigung ist machmal besser als eine langatmige Erklärung
- Professionelle Hilfe holen, wenn Situation nicht unter Kontrolle gebracht werden kann
Professioneller Umgang mit negativen Beiträgen für kleinere Unternehmen
Kleine Unternehmen haben meistens kein geschultes Personal, welches ausschließlich mit kommunikativen Aufgaben betraut ist, zur Verfügung. Oft ist der Geschäftsinhaber der Einzige, der sich um Facebook und Co. kümmert. Pläne und Konzepte sind meistens nicht vorhanden. Dennoch sollte unbedingt richtig reagiert werden, wenn ungerechtfertigte, harsche Kritik gegen das Unternehmen laut wird:
- Nicht impulsiv einen Beitrag oder Kommentar löschen
- Erst mal alles in Ruhe lesen und durchatmen
- Was ist das Problem? Erkennen, worum es in der Sache geht und die Emotionen außen vor lassen
- Überlegen, wie das Problem gelöst werden kann und dieses auch mitteilen
- Löse das Problem wirklich. Nur Ankündigen und nichts machen, verschlimmert alles
- Erläutern, wie das Problem tatsächlich gelöst wurde
Fazit: Ein Shitstorm ist nicht vermeidbar aber eine lösbare Aufgabe
Negative Beiträge und der Umgang damit sind Bestandteil der sozialen Netzwerke. Sich deswegen den Vorteilen zu verschließen wäre gleichbedeutend mit dem Verzicht auf fließendes Wasser im Haus wegen einem möglichen Rohrbruch. Dennoch sollten Betreiber von Social Media Präsenzen wissen, was im Falle eines Rohrbruches zu tun ist. Wenn das bewusst geworden ist, kann man auch bei negativen Beiträgen verhindern, das der Ruf des Unternehmens oder der Produkte in Mitleidenschaft gezogen wird und es gibt keine Panikattacken bei unliebsamen Ereignissen mehr.
Schöner, treffender Artikel.
Habe mir schon 2013 ähnliche Gedanken dazu gemacht, die diese Zeilen vielleicht ergänzen: http://www.profi-news.de/textblog/marketing/social-media-die-angst-des-unternehmers-vor-dem-kontrollverlust/