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Das Gespenst geht um. Nicht nur nachts, es ist zu allen Zeiten fast überall im Handel zu spüren. Das Gespenst, welches ich meine, hat einen bekannten Namen: Amazon. Und es kommt zu vielen Einzelhändlern, lokalen Geschäften und kleinen Onlineshops.
Das Gespenst mit dem Namen Amazon hat Geschwister, die auch gerne mitkommen und Angst verbreiten: Zalando, ebay, Otto, Conrad, Bonprix. Im Gefolge befinden sich weitere „Angstmacher“ wie beispielsweise Mister Spex, Media Markt, Zooplus, Reifen direkt und Home24.
Wo diese Gespenster auftauchen, hinterlassen sie Lähmung, Angst und Resignation. So ist es nicht verwunderlich, dass bei den meisten lokalen Händlern auf die Frage: “Was ist für Dich die größte Bedrohung?”, Antworten kommen wie: “Das Internet”. Oder direkt “Amazon”. Oftmals auch “Die Onlineshops.”
“Gegen Amazon komme ich sowieso nicht an.” – die Resignation der Händler ist in fast allen Gesprächen zu spüren.
“Das musst Du auch gar nicht.”, erwidere ich dann gerne und im Gesicht meiner Gesprächspartner ist eine Mischung aus Erstaunen und Hoffnung zu erkennen. Manche halten mich auch einfach nur für weltfremd.
Du musst Amazon nicht schlagen! Du musst das Spielfeld wechseln!
Selbstverständlich ist es vollkommen illusorisch, als lokaler Einzelhändler, Gewerbetreibender oder kleiner Onlineshop Amazon im Internet zu schlagen. Aber, das musst Du auch nicht.
Das Spielfeld von Amazon heißt: “Onlineshop. Oder E-Commerce. Vielleicht Weltherrschaft, das weiß man noch nicht so ganz genau.”
Was ist dein Spielfeld überhaupt?
Dein Spielfeld ist erheblich kleiner. Das ist erfreulich und macht das Spiel viel leichter.
Du musst gar nicht alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland erreichen. Du musst nicht mal alle Menschen in deinem Bundesland erreichen. Deine Aufgabe ist es, die Menschen in deinem Dorf, deiner Stadt zu erreichen. Und ein paar Kilometer drum herum.
Ist das nicht schon mal eine deutlich einfachere Herausforderung, als Amazon zu schlagen?
Der nächste Punkt mit dem wir uns nach der Festlegung des Spielfeldes beschäftigen sollten ist das Spiel selber:
Das Spiel um neue Kunden und mehr Umsatz im Handel
Glücklicherweise kennen wir schon den Namen des Spieles: “Das Spiel um neue Kunden und mehr Umsatz”. Unser Spielfeld ist unsere Stadt oder unser Dorf mit Umland.
Bevor wir herausfinden wie das Spiel heute gespielt wird, betrachten wir das Spiel in der Vergangenheit. Wie wurde früher verkauft? Wie hat das funktioniert?
Verkauf im Handel in der Vor-Internetzeit
Früher war alles besser. Sagen viele und manchmal stimmt es sogar. Ob es wirklich besser war, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Es war auf jeden Fall anders und zwar wie folgt:
Werbung machen – Werbeversprechen abgeben
Geschäfte beworben ihre Produkte ohne Internet. Meistens sehr penetrant, häufig und laut.
Werbeträger waren Flyer, Plakatwände, Zeitungsanzeige, Anzeigen in Zeitschriften und für Unternehmen mit größerem Budget, Radiowerbung und Fernsehwerbung. Auch wurden bereits Empfehlungen ausgesprochen, das bedeutet ein zufriedener Kunde erzählt von seinem Einkauf anderen Personen.
In das (Fach)geschäft gehen
Der Kaufinteressent geht in ein Geschäft, um sich näher zu informieren und das beworbene Produkt kennen zu lernen. Er steht dann im Geschäft vor dem Regal mit dem Produkt, oder lässt es sich zeigen. In den nun folgenden Sekunden wird die Kaufentscheidung getroffen. Daher sind kompetente, kommunikationsstarke Mitarbeiter im Verkauf unglaublich wichtig.
Eigene Erfahrung mit dem Produkt
Nach dem Kauf überprüft der Kunde, ob das Werbeversprechen bezüglich des Produktes eingehalten worden ist. Wenn das Produkt die zugesicherten Eigenschaften enthält, ist der Kunde zufrieden und wird der Herstellermarke in Zukunft höheres Vertrauen entgegenbringen.
Im Idealfall ist der Käufer so zufrieden mit seiner gekauften Ware, dass er das Produkt und / oder das Geschäft weiterempfiehlt.
BAMM – VORBEI
Diese beschriebene, schöne, heile Verkaufswelt ist leider vorbei. Denn ein neuer Player ist erschienen: das Internet. Werbung früher war einfach nur Sender – Empfänger getrieben. Unternehmen sandten Werbeversprechen aus und der potenzielle Käufer sollte so oft wie möglich damit in Kontakt kommen, bis das Produkt gekauft wird. Aus, vorbei. Ende. Schluß.
Verkauf im Handel heute
Mögliche Kunden sitzen nicht mehr passiv herum und “warten” auf Werbebeschallung. “Märkte sind Gespräche”, haben David Weinberger und einige andere bereits 1999 im Cluetrain-Manifest als eine von 95 Thesen festgehalten.
Aber nicht nur diese These ist heute wahrer denn jemals. Auch verschiedene andere beeinflussen bis heute die Art und Weise, wie Menschen heute zu einer Kaufentscheidung gelangen:
- Die Menschen in den vernetzten Märkten haben herausgefunden, daß sie voneinander wesentlich bessere Informationen und mehr Unterstützung erhalten, als von den Händlern und Verkäufern.
- Es gibt keine Geheimnisse mehr. Die vernetzten Märkte wissen über die Produkte der Unternehmen mehr, als die Unternehmen selbst. Ob die Nachricht gut oder schlecht ist, sie wird weitergegeben.
- Wir sind keine Zuschauer oder Empfänger oder Endverbraucher oder Konsumenten. Wir sind Menschen – und unser Einfluß entzieht sich eurem Zugriff. Kommt damit klar.
Die grundlegende Änderung des Verkaufsprozesses ist durch das Internet, insbesondere durch die sozialen Netzwerke, gegeben.
Wie sieht der Verkaufsprozess heute aus?
Menschen haben Bedarf und beginnen im Internet nach jemandem zu suchen, der ihren Bedarf befriedigen kann. Dies ist kein passives konsumieren von penetrant ausgebrachten Werbebotschaften, sondern ein aktiver Vorgang. Dieser Vorgang kann durch die Smartphones, immer und überall erfolgen.
Beispielsweise:
- Beim Warten in einer Autoschlange, im Wartezimmer des Arztes
- Im Restaurant bevor das Essen kommt
- Im Büro am Schreibtisch, wenn es etwas fehlt oder benötigt wird
- Auf dem Sportplatz in der Halbzeitpause
- Bequem auf dem Sofa nach Feierabend und, so ist es, häufig auch auf der Toilette
Dieser Moment, in dem alles für einen Verkauf beginnt, wird auch Zero Moment of Truth genannt. (Der ZMOT wurde von Google beschrieben und auf der Webseite “think with Google”,zugänglich gemacht)
Wurde ein Produkt oder eine Leistung erfolgreich recherchiert wird das Werbeversprechen überprüft. Das passiert durch Bewertungsportale und in sozialen Netzwerken. Zusätzlich sind Fragen an Kontakte bzw. Freunde in den sozialen Netzwerken zu den Produkten nicht unüblich.
Erst wenn die Werbeversprechen bestätigt wurden, wird sich auf die Suche nach einem Anbieter gemacht um das Produkt zu kaufen.
Der Zero Moment of Truth (ZMOT) schlägt das Gespenst vor Ort in die Flucht
Was müssen Händler heute tun, damit dieser neue Verkaufsprozess nicht an ihnen vorbeiführt?
Der Händler muss in seinem Einflussbereich in den Köpfen der Menschen vorhanden sein. Sein Angebot, sein Geschäft muss das Synonym für ein Produkt, eine Produktgattung oder eine Leistung sein. Beispiel: man kauft keine Brille sondern geht zu Brillen-Huber
Was muss ein Händler machen um den ZMOT für sich zu nutzen?
Der Händler muss auf allen verfügbaren und sinnvollen Plattformen an den Gesprächen teilnehmen.
Die möglichen Kunden müssen den Händler, seine Kompetenz, sein Warenangebot kennen bevor eine Recherche nach einem Produkt beginnt. Wenn die Recherche beginnt, muss der Händler die erste Anlaufstelle sein. So wird das Gespenst geschlagen.
Amazon vor Ort schlagen – so wird es gemacht
Besinne dich auf deine Stärken und erzähle genau das!
Händler haben Stärken. Händler bieten etwas, was die Gespenster nicht können. Menschen freuen sich über persönliche Gespräche. Online und offline. Erzähle, wie du mit Menschen im Geschäft umgehst. Erzähle Geschichten von Menschen.
Arbeite mit den Dingen, die Gespenster nicht können: riechen, fühlen, schmecken, probieren, genießen. Biete doch statt „Herrenschuh, braun, Leder, Größe 43“ mal „Fassen Sie das weiche Leder an, welches von Handwerksmeistern für dich verarbeitet wurde. Schlüpfen Sie in den Schuh rein und fühlen Sie selbst die Behaglichkeit. Vorbeikommen, ausprobieren und gleich mitnehmen. Pflegetipps geben wir gerne dazu.“ Das gute Gefühl mit dem Schuh nach Hause zu gehen – das kann kein Gespenst.
Grundlage für alles – eine Webseite mit Konzept
Ein Webseite ist Pflichtprogramm für jeden, der ein Geschäft bzw. Gewerbe betreibt. Das ist klar. Keder reicht nur haben nicht aus. Folgende Merkmale muss eine Webseite für einen Händler heute beinhalten:
- Moderne, zeitgemäße Gestaltung
- Verfügbar auf allen Endgeräten (responsive Design)
- Einfache Navigation, einfache Struktur die ohne viel suchen zu müssen dem Besucher zeigt, was ihn interessiert
- Hervorhebung von Mehrwerten
- Ständig neue, interessante Inhalte
- Möglichkeit, Waren vorzubestellen, zu reservieren – im Idealfall mit Liefermöglichkeit
- Flexibilität um für Aktionen, bestimmte Produkte extra Verkaufsseiten (Landig Pages) erstellen zu können
Präsenz in den sozialen Netzwerken
“Ich mache mal eine Facebook-Seite” – nein, das funktioniert nicht. Auf Facebook muss ein lokaler Händler heute sein, aber da reichen einfache Postings nicht aus. Facebook ist notwendig, damit man sich mit bestehenden Kunden verbinden und neue Kunden finden kann. Wie das gemacht werden kann, ist hier im Blog in verschiedenen Beiträgen beschrieben worden:
Besuchen Sie uns auf Facebook – aber warum eigentlich?
Facebook Werbung ist ideal für den Handel
Facebook und Webseite – zusammen erfolgreich
Was sollen Einzelhändler auf Facebook posten?
10 Content Ideen für den Einzelhandel
Werbung auf Facebook ist für kleine Unternehmen (nicht) zu teuer
Kunden finden und an das Unternehmen binden – mit Onlinewerbung
Durch Werbung in den sozialen Netzwerken können passende Interessenten angesprochen werden. Die vielfältigen Möglichkeiten von Facebook-Werbung macht das möglich. Nicht mit der Gießkanne, wie es eine Zeitungsanzeige ist, sondern gezielt nach möglichem Interesse und Bedarf. Dazu kann gezielt festgelegt werden, in welchem räumlichen Umkreis die Werbung gemacht wird.
Neuen Interessent durch Onlinewerbung gefunden und dann?
An dieser Stelle entscheidet sich der zukünftige Erfolg beim ZMOT. Was passiert denn, wenn die geschaltete Werbeanzeige einen Interessenten erreicht?
Die Aufgabe ist es, den Interessenten auf eine Webseite zu führen. Oder auch auf die Facebook-Seite. Grundsätzlich sollte immer die Webseite an erster Stelle stehen. Facebook ist dazu da der Webseite Menschen bzw. Kunden zuzuführen und nicht umgekehrt.
Kommt jemand auf die eigene Internetseite müssen weitere Maßnahmen erfolgen, um den Interessenten später in einen Kunden zu konvertieren:
- Aufnahme des Interessenten in eine Interessentenliste (Marketingfähige Adresse wird erfasst und später genutzt)
- Inanspruchnehmen eines besonderen Angebotes auf der Webseite (Adresse wird erfasst und später genutzt)
- Website Besucher erhalten im Anschluss auf Facebook Werbung. Die enthält genau die Dinge, die auf der Webseite betrachtet wurden
- Exklusive Informationen und Angebote werden auf der Facebook-Seite publiziert. Dies erhöht die Motivation, sich an die Facebook-Seite zu binden.
Der grundlegende, wiederholbare Prozess sieht für jedes mögliche Produkt aus wie folgt:
- Erstellung eines Angebotes auf der Landingpage der Webseite. (Besonders, saisonal etc.)
- Wertige Beschreibung des Angebotes (nicht nur Artikel-Preis) auf der Facebook-Seite
- Facebook-Werbung im räumlichen Umkreis für das Produkt und die Zielgruppe schalten
- Weiterleiten der erreichten Personen durch die Facebook-Werbung auf die Landing Page
- Erfassen der Adresse auf der Landing Page durch Infoangebot, Verkauf oder Reservierung
- Bewerbung der erhaltenen Adressen mit genau den Produkten, für die sich interessiert wurde
- Begleiten jeder Aktion durch Mehrwertinformationen auf der Homepage und der Facebook-Seite
Ja, das ist Arbeit. Und kostet Zeit. Ich habe gesagt, das Gespenst kann geschlagen werden. Von schnell und einfach war nicht die Rede. Wenn dieser Prozess dauerhaft implementiert und umgesetzt wird, dann hat ihr Geschäft die Kraft, das Gespenst zu verjagen. Denn dadurch kann erreicht werden, dass Menschen zuerst in ihrem Geschäft nach Informationen suchen.
Weiterführende Maßnahmen
Es gibt noch weitere, ergänzende Maßnahmen die dazu dienen, im ZMOT als lokales Geschäft gegen die Gespenster zu gewinnen. Hierzu zählen beispielsweise Suchmaschinenoptimierung – wenn ihr Geschäft als erstes in Suchergebnissen gefunden wird, dann ist das sehr nützlich. Aber aufpassen: gerade in diesem Bereich gibt es viele unseriöse und sinnlose aber teure Angebote.
Werbemaßnahmen im Geschäft oder außerhalb des Internet müssen immer auf die Plattformen verweisen. Geben Sie beispielsweise in jede Einkaufstüte ein kleines, attraktiv gestaltetes Kärtchen mit Hinweis auf Webseite und/oder Facebook bzw. Instagram Präsenz dazu. Schreiben Sie die Adressen der Onlinepräsenzen in den Footer ihrer E-Mail und drucken Sie die Adressen auf jede Rechnung, jedes herausgegebene Papier.
Erzählen Sie mir, was Sie gemacht haben. Oder was Sie versuchen wollen – es interessiert mich sehr und ich wünsche ihnen viel Erfolg beim Verjagen der Gespenster.
sehr guter Artikel. Statt zu kämpfen ( den Kampf gegen Amazon & Co verliert jeder ) lieber auf die eigenen Werte und den Kundennutzen fokussieren. Dieser Wandel im Mindset braucht aber seine Zeit und nicht jeder macht ihn mit: Bäcker früher (Ich verkaufe Brötchen), heute (für ein gemütliches Frühstück mit der ganzen Familie)
Und zum Amazon-Beispiel: „Was wünschen sich Kunden, das sie nicht bei Amazon können?“ Die Antwort auf diese Frage (geschickt in die Positionierung eingearbeitet) ist der Schlüssel.
SinnSTIFTende Grüße